Weg mit den Scheuklappen

Eröffnet Humor einen Weg, Krisen in der Partnerschaft zu überwinden? Ja, glaubt die Psychologin Dr. E. Noni Höfner – aber manchmal brauchen Paare dazu Hilfe.

Frau Dr. Noni Höfner leitet das Deutsche Institut für Provokative Therapie in München, arbeitet als Paartherapeutin und macht Kabarett über die „Kunst der Ehezerrüttung“.

Liebe mit Augenzwinkern, Krisen meistern mit Humor – geht das eigentlich? Können Paare schwere Beziehungskrisen mit Humor meistern?

Ich glaube, es geht überhaupt nur so. Das Problem ist allerdings: Wenn Paare feststecken, gehen die beiden gewissermaßen mit Scheuklappen durchs Leben und sind nicht mehr in der Lage, nach rechts und links zu gucken. Es dürfte ihnen dann schwer fallen bis unmöglich sein, noch zu sehen, wie absurd sie sich eigentlich verhalten; der Humor geht ihnen dann komplett verloren. Dafür brauchen sie jemanden, der von außen drauf guckt; das kann ein guter Freund sein oder eben ein Paartherapeut.

Schützt ein heiterer Blick auf die Liebe dann wenigstens davor, überhaupt erst in eine schwere Krise zu geraten?

Ob ein heiterer Blick auf die Liebe gelingt, ist eine Sache der Persönlichkeit. Wer sich selbst wahn­innig ernst nimmt und immer glaubt, er oder sie wäre erleuchteter als andere und wüsste alles besser, dem ist ein heiterer Blick auf gar nichts möglich. Humor bedeutet nach meinem Verständnis vor allem, dass jemand in der Lage ist, die Dinge zu relativieren.

Über seine Probleme zu lachen zum Beispiel?

Auf jeden Fall. Wenn Paare die Absurditäten in ihrem Verhalten, in ihrem Denken und Fühlen sehen können, dann können sie sich auch darüber amüsieren, was sie jetzt gerade wieder anstellen. Und sobald sie darüber lachen können,was sie vorher blind vor Wut gemacht hat, werden sie frei für andere Möglichkeiten zu denken und zu fühlen.

Können ihnen dazu nur Therapeuten verhelfen? Oder kann das auch ein guter Freund?

Ein guter Freund, der einem nicht nach dem Mund redet und Partei ergreift, könnte die Probleme tatsächlich ein bisschen persiflieren und einen dadurch „runterbringen“. Doch gerade bei Dauerkrisen ist es sehr schwer, jemanden zu finden, der so neutral ist. Die beste Freundin ist eben meist auf ihrer Seite, der beste Freund auf der seinen und stärken der jeweiligen Partei den Rücken: „Das ist ja furchtbar, was der mit dir anstellt.“ Für provokative Berater ist es dagegen das oberste Gebot, keine Stellung zu beziehen und nicht einseitig Partei zu ergreifen; stattdessen versuchen sie, ihre Klienten dazu zu bringen, über das Absurde in ihrem Verhalten zu lachen.

Sie haben ein Buch geschrieben mit dem Titel: „Die Kunst der Ehezerrüttung.“ Wie steht es um die Kunst, die eigene Liebe mit heiterem Abstand zu betrachten? Können Paare das lernen?

Ich denke schon. Das ist wirklich eine Kunstform. Ich glaube, wir sind alle aufgerufen, im Laufe unseres Lebens zu lernen, uns nicht permanent um den eigenen Bauchnabel zu drehen und uns nicht so bitter ernst zu nehmen mit dem, was wir für wahr halten und für falsch. Wenn ich mit jemandem zusammenlebe, muss ich ja unentwegt Kompromisse schließen.

Weil ich den anderen ja nie genau so kriege, wie ich ihn haben möchte? 

Einen Mann zu heiraten und zu hoffen, dass er sich verändert, wäre genau so unsinnig wie zu erwarten, dass die Frau, die ich heirate, genau so bleibt, wie sie ist. Wenn Paare lange zusammen sind, finden zwangsläufig Entwicklungen statt, aber wie sie verlaufen, lässt sich nicht einfordern.

Es hat viel mit Rechthaberei zu tun, wenn jemand nicht heiter und humorvoll ist. Nicht immer zu glauben, dass man selbst Recht hätte, lässt sich durchaus lernen. Ein heiterer Blick auf irgendwas bedeutet, dass ich mich selbst in einem distanzierteren Licht sehe, dass ich mich relativieren kann.

Das gehört wesentlich zum Humor dazu; Humor besteht ja nicht nur darin, flache Witze zu machen oder darüber zu lachen. Es heißt ja nicht umsonst: „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“ – wenn einem gar nicht zum Lachen zumute ist. Humor ist, wenn man entdeckt, welche Absurditäten im eigenen Denken, Verhalten und Fühlen stecken. Wer in sich selbst gefangen ist, sieht das allerdings nicht.

Humor ist also so etwas wie die Einsicht, dass manches aussichtslos ist…

Wenn Sie so wollen…

… damit aber nicht unterzugehen?

Genau. „Aussichtslos“ allein würde ja bedeuten, ich könnte aus dem Fenster springen.

Bei „Aussichtslos“ dachte ich an den Versuch, den Partnern ändern zu wollen.

Zum Beispiel, ja. Irgendein alter Grieche hat gesagt: „Wenn man die Verhältnisse nicht ändern kann, muss man seine Einstellung ändern.“ Wenn ich im Laufe meines Lebens lerne, die Absurditäten in meinem Leben zu sehen, dann gelingt der heitere Blick. Dann gerate ich auch nicht mehr so viel mit meinem Partner aneinander. Das ist der Vorteil von Paaren, die schon lange verheiratet sind: Sie nehmen sich nicht mehr ganz so tierisch ernst.

Oder sie sind inzwischen schon auseinander.

Oder das. Aber das Problem ist mit der Trennung allein nicht gelöst. Ich habe es x-mal erlebt, dass Frauen und Männer sich trennen, aber dann mit dem nächsten Partner exakt dieselben Fehler machen. Deswegen ist es durchaus sinnvoll, eine Paarberatung zu machen, selbst wenn man sich danach doch trennt. Die Beratung eröffnet die Chance, es a) beim nächsten Mal besser zu machen und b) sich nicht wieder genau denselben Typen zu suchen.

Und wenn nur einer der Partner Humor versteht und der andere nicht?

Mit solchen Aussagen bin ich sehr vorsichtig. Es gibt nur ganz, ganz wenige Menschen, die wirklich komplett humorlos sind. Wenn ich jemanden für humorlos halte, hat der wahrscheinlich nur einen anderen Humor als ich, einen Humor, den ich nicht begriffen habe.

Worüber Menschen lachen können, ist sehr individuell. Es gibt ja Comedians der unterschiedlichsten Sorte. Der eine findet Dick und Doof fürchterlich, der andere lacht sich schlapp. Mein Sohn und sein Cousin kringeln sich vor Lachen über die Simpsons; ich habe zwar nur eine Folge davon gesehen, aber ich finde sie gar nicht so wahnsinnig komisch. Es ist einfach eine andere Art von Humor.

Ich finde es deshalb ziemlich überheblich zu sagen: „Mit dem kann ich nicht auskommen, der hat keinen Humor.“ Oder: „Ich habe ja so viel Humor, aber mein Partner ist völlig humorlos.“

Meist können die vermeintlich humorlosen Menschen nur nicht darüber lachen, wenn man sie auslacht. Das findet aber niemand wirklich lustig.

Es hat ja auch nichts mit Humor zu tun.

Stattdessen käme es darauf an, mit dem anderen über seine (und die gemeinsamen) Stolpersteine zu lachen. Das Ziel ist, dass der andere anfangen kann über sich selbst zu lachen. Allerdings ist das zugegebenermaßen so ziemlich das Schwierigste…

In Ihrem Buch „Das wäre doch gelacht!“ haben Sie geschrieben, „dass die Menschen viel klüger und mündiger sind, als die meisten (Therapeuten) glauben. Sie stecken nur manchmal fest und drehen sich im Kreise. Humor und ein leichter, freundlicher Tritt in den Hintern helfen ihnen sehr schnell auf die Sprünge. Sobald ihr „ganz normaler Wahnsinn“ pauschaliert und überspitzt ausgesprochen wird, setzt das Denken wieder ein. Der eigene Standpunkt wird neu geortet, Unsinniges wird verworfen und Plausibles überdacht. Dabei ist eine gewisse Betroffenheit die Voraussetzung dafür, dass sich auch im Verhalten etwas verändert.“

Das passt immer noch. Allerdings würde ich inzwischen die emotionale Betroffenheit noch stärker in den Blickpunkt rücken. Also: Niemand ändert sich, wenn er nicht emotional beteiligt ist. Das Denken ist zweitrangig. Andererseits komme ich in einer Beratung auch nicht weiter, wenn die Emotionen zu stark sind. Dann sieht mein Klient rot, kriegt die Panik und kann überhaupt nicht mehr denken. So eine mittlere emotionale Beteiligung wäre also die ideale Voraussetzung dafür, ob ich einen Menschen erreiche. Und genau diese mittlere Beteiligung ist das, was selbst-relativierender Humor bewirkt.

Interview: Conrad M. Siegers